Scheffelgriffel 2020 - unser Schreibwettbewerb und die späte Siegerehrung

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04.08.2020

Der diesjährige Schreibwettbewerb lief an wie gewohnt – die Themen wurden im Herbst abgesprochen und anschließend für die Schüler ausgehängt, die dann bis Ende Januar Zeit hatten, ihre Texte zu verfassen und einzureichen.

Die folgende Auswertungsphase der anonymisierten Texte sollte sich in diesem Jahr durch eine Schulschließung aber schwieriger gestalten als sonst, sodass die Lehrerjury zwar noch vor Ort beraten konnte, aber die Schülerjury einzeln ihre Bewertungen abgeben musste. So kamen wir trotzdem zu deutlichen Ergebnissen und in einer Siegerehrung am letzten Schultag konnten alle Beiträge nach einer langen Geduldsphase endlich gewürdigt werden. Die Siegertexte konnten dieses Jahr coronabedingt leider nicht im Rahmen einer Lesung präsentiert werden, wir hoffen auf eine neue Chance dafür im kommenden Schuljahr.
Dieses Jahr wurden 20 Texte eingereicht, die durch ihre Vielfältigkeit begeistern. Manche Texte scheinen direkt aus dem Leben gegriffen, während andere fast schon idealisierte Wege für ein besseres Miteinander aufzeigen oder sich im Science-Fiction Bereich bewegen, wo Bösewichte oder Monster besiegt werden müssen. Wieder andere Texte betrachten das Leben philosophisch, beschreiben ein Gefühl oder einen ganz bestimmten Moment im Leben. Wir möchten uns nochmals bei allen Schüler*innen herzlich für ihre Teilnahme bedanken - wir hoffen auch im nächsten Jahr wieder auf viele tolle Beiträge. Vielen Dank auch allen Jurymitgliedern im Kollegium und in der Schülerschaft. Nun aber viel Vergnügen beim Lesen unserer Siegertexte! :)

Scheffelgriffel 2020 – die diesjährigen Siegerinnen Hinten: Carina Markert (11), Antonia Gimmer (11), Feline Weger (12) Mitte: Marie Berchtold (10), Pia Klingert (8), Frau Junker (Organisation) Vorne: Marie Mackowiak (5), Sophie Noll (6) Es fehlen: Liliana Reichmann (10), Lina Marie Füsgen (5) Foto: I. Reutter
Scheffelgriffel 2020 – die diesjährigen Siegerinnen
Hinten: Carina Markert (11), Antonia Gimmer (11), Feline Weger (12)
Mitte: Marie Berchtold (10), Pia Klingert (8), Frau Junker (Organisation)
Vorne: Marie Mackowiak (5), Sophie Noll (6)
Es fehlen: Liliana Reichmann (10), Lina Marie Füsgen (5)
Foto: I. Reutter

Siegertexte Unterstufe

Der Lauf der Geschichte (Thema 1, Platz 2) von Sophie Noll (6a)
Aufgrund des steigenden Energiebedarfs versuchen die Menschen durch immer neue Methoden mehr Energie zu gewinnen, und schrecken nicht davor zurück, dafür bislang unberührte Territorien zu erschließen. Sie bauen Windparks auf offener See, und bohren dabei tief in den Boden des Meeres. Doch manche Dinge lässt man besser ruhen…
Die ganzen Unterwasserbohrer, die die unberührten Territorien zerstörten, stießen in einer dieser Territorien in Australien auf einen merkwürdigen Fund. Der Bohrer hob langsam den großen Greifarm und stieß ihn in das Wasser hinein. Doch plötzlich stieß er auf etwas Hartes. „ Stell sofort den Bohrer aus!“, rief Jake. Henry, der den Bohrer bediente, reagierte sofort und drückte auf die Aus-Taste. Er ließ die Hebel stehen, und mit Jake näherte er sich vorsichtig dem Wasser. Sie zogen Taucheranzüge an, tauchten hinab und fanden etwas, das so glitzerte, dass ihnen fast die Augen aus dem Kopf fielen. Zögernd hob Henry das Ding hoch und damit schwammen sie wieder an die Wasseroberfläche.
Erst jetzt sahen sie, dass dieses Ding eine über und über besetzte Tafel aus Gold und Diamanten war. „ Wow, weißt du, wie viel diese Tafel wert wäre?“, fragte Jake, und strich über den großen Rubin.
Plötzlich hörten sie ein unheimliches Klicken. „Was war das?“, flüsterte Jake ängstlich. „Keine Ahnung!“ flüsterte Henry nicht weniger ängstlich zurück. Auf einmal wurde Henry von einem gleißend hellen Licht geblendet. Er musste zur Seite gucken, um nicht zu erblinden. So schnell wie es angefangen hatte, war es aber auch schon wieder vorbei, mit einem kleinem Unterschied: Jake war verschwunden! „Jake, komm raus, das ist nicht witzig!“, rief Henry so laut er konnte, doch Jake kam nicht. Es klickte wieder, und Henry war sich ganz sicher, dass es von der Tafel kam. Da war plötzlich wieder dieses rätselhafte Licht, dass sich zu einem Strudel umformte und die Tafel hineinzog. Henry wollte die Tafel loslassen, aber aus irgendeinem Grund konnte er seine Hände nicht wegziehen, sie waren wie gelähmt. Er wurde mit eingesaugt!
Plötzlich spürte er einen brennenden Schmerz auf seiner rechten Wange. Langsam schlug er die Augen auf und sah in das verschwommene Gesicht von Jake. Er musste einige Male blinzeln, um wieder scharf sehen zu können. Er sah an sich herab und stellte fest, dass er nur mit einem einfachen Leinenschurz bekleidet war. „Du hast ziemlich lang geschlafen!“, rief Jake fröhlich. Auch er trug nur einen Leinenschurz und war sonst unbekleidet. „ Wo sind wir, warum sind wir halb nackt und wieso ist es hier so heiß?“, fragte Henry und sah sich verdutzt um. „Ich weiß genau so viel wie du.“, seufzte Jake.
Nachdem Henry sich aufgesetzt hatte, ging Jake auf und ab und fand dabei die Tafel. „Merkwürdig. Die Tafel ist also auch hier“, murmelte er vor sich hin. Er untersuchte sie genau und fand etwas, das sie übersehen hatten, als sie sich die Tafel das erste Mal ansahen. Jake war so verblüfft über seinen Fund, dass er einen kleinen Schrei ausstieß. „Was ist los Jake?“, rief Henry, der gerade versucht hatte, auf eine Palme zu klettern. „Komm schnell her, ich glaube ich habe etwas Nützliches gefunden!“, rief Jake genauso laut zurück. Henry kam angerannt und wartete gespannt. „Hier, an der linken oberen Seite steht Ägypten, Alexandria, 50 v. Chr. “, meinte Jake. „ Ich glaube“, machte er weiter „dass wir uns wirklich im Jahre 50 v. Chr. befinden!“, sagte er dann schließlich ganz leise. „Das kann doch gar nicht sein!“, rief Henry „Wie wahrscheinlich ist es, dass man 2069 Jahre in die Vergangenheit reißt!“ „Nicht sehr wahrscheinlich.“, stimmte Jake Henry zu. „Trotzdem haben wir nicht mehr unsere Kleidung an, die Maschinen sind weg und wir sind auf jeden Fall nicht mehr in Australien.“
Nach einer kleinen Pause machte Jake einen Vorschlag: „Lass uns durch die Stadt gehen, schließlich kriegt man nicht so oft die Gelegenheit, durch das alte Ägypten zu laufen.“ Nachdem Henry zugestimmt hatte, liefen sie mit der Tafel los. Sie kamen an vielen einfachen Lehmhäusern vorbei, bis sie in der Stadtmitte waren. Hier erhob sich ein riesiger Palast, der über und über mit Gold, Silber, Perlen und Diamanten besetzt war. Henry und Jake kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dann entdeckten sie jedoch eine Katze, die etwa 20 Meter von ihnen entfernt saß. Sie hatte ein wunderschönes bernsteinfarbenes Fell und große dunkle Augen. Langsam kam sie näher bis sie direkt vor ihnen stand. Henry ging in die Hocke und streichelte die Katze, die zu Schnurren begann und ihr Köpfchen an seinem Bein rieb.
Plötzlich hörten sie von der anderen Seite der Palastmauer lautes Geschrei und Schritte, die sehr schnell näher kamen. Kurz darauf bog auch schon ein Mann mit einem langen Gewand und einem Krummschwert um die Ecke. „Wer seid ihr und warum ist die Katze von Kleopatra bei euch? Wolltet ihr die heilige Katze entführen?“, schrie er sie an. „N-Nein, e-entführen w- wollten wir sie n-nicht.“, stotterte Henry vor sich hin. Dies hörte der Mann aber nicht mehr. Er machte ein Handzeichen und daraufhin kam eine große Gruppe von Männern, die alle bewaffnet waren. Jake und Henry wurden von jeweils 2 Männern abgeführt. Der Anführer der Gruppe nahm die Katze auf den Arm und lief durch das große Tor. Henry und Jake wurden durch unzählige Gärten geführt. Mal sahen sie Springbrunnen, mal Statuen, dann wieder Leoparden, und einmal erhaschten sie sogar ein Blick auf einen großen Fluss, in dem Krokodile jagten. Endlich erreichten sie das Tor zum Palastinneren. Sie liefen durch viele große Hallen bis in den Thronsaal. Auf einen Thron aus puren Gold, besetzt mit Diamanten jeder Art, saß Kleopatra mit nicht sehr nettem Gesicht. Der Anführer verbeugte sich sehr tief und Henry, Jake und die Wächter taten es ihm gleich. „Tayo“, rief sie mit schneidender Stimme „ich hoffe du hast Inaya gefunden!“ „Aber natürlich meine Majestät. Die Entführer haben wir gleich mitgebracht.“, sagte Tayo. „Maahes, Kafele, bringt sie vor!“ Die Wächter schubsten Jake und Henry vor die Füße von Tayo. „Ihr also, habt meine heilige Katze entführt? Ihr wart es, die Inaya aus den Palast gelockt habt?“, Kleopatra war inzwischen aufgestanden und schrie sie wütend an „Dafür verurteile ich euch zum Tod!“ Henry und Jake waren vor Schreck erstarrt. „Soll ich sie gleich umbringen?“, fragte Tayo hilfsbereit. „Ja, ich will ihre Köpfe vor mir im Sand liegen sehen!“, rief Kleopatra. „Aber wir haben eure Katze gar nicht entführt, Majestät!“, rief Henry ganz außer sich vor Empörung. „Jake, sag doch auch mal was!“ Jake hörte Henry aber gar nicht mehr, er war viel zu beschäftigt, an den Rädchen der Tafel zu drehen. „Was tust du da?“, fragte Kleopatra neugierig. „Majestät, darf ich sie jetzt umbringen?“, fragte Tayo ungeduldig. „Äh, ja natürlich.“, sagte Kleopatra gedankenverloren.
„Halt dich gut an der Tafel fest.“, flüsterte Jake Henry ins Ohr. Derweil hob Tayo sein Krummschwert in die Höhe. Jake und Henry sahen das letzte Mal Kleopatra an und beide sahen den gierigen Glanz in ihren Augen. Der Blick war auf die Tafel gerichtet. Gerade als das Schwert runtersauste drückte Jake auf den großen Rubin, in der Mitte der Tafel. Der Lichtstrudel erschien wieder und saugte sie erneut ein.
Sie landeten ziemlich unsanft auf einer Straße mitten in Rom. Diesmal war keiner von beiden ohnmächtig. Wieder sahen sie an sich hinab und stellten erfreut fest, dass sie diesmal eine Tunika und eine Toga trugen. Damit gehörten sie zur Oberschicht. „In welchem Jahr sind wir?“, fragte Henry. „ Auf den Rädchen steht: Rom, Italien, 44 v. Chr.“, antwortete Jake. „Und welcher Tag?“, fragte Henry mit lauernden Unterton weiter. „ Da wir am 15. März 2019 in die Vergangenheit gereist sind, ist heute wahrscheinlich der 15. März 44 v. Chr. Warum fragst du?“, gab Jake Auskunft. „Heute ist der Todestag von Julius Caesar. Wir können seinen Tod verhindern!“, rief Henry. „Sollen wir das wirklich machen?“, fragte Jake mit gerunzelter Stirn. „Wir können einem unschuldigen Mann das Leben retten!“, sagte Henry ziemlich heftig. „ So unschuldig war er gar nicht.“, murmelte Jake vor sich hin. Henry hörte aber seinem Freund gar nicht mehr zu. „Ich würde den Dolch von Brutus klauen, schließlich hat er das Attentat geplant!“, meinte Henry, der schon eifrig am Pläne schmieden war. Nachdem Jake zugestimmt hatte, durchquerten sie im Laufschritt das Forum und gingen direkt zum Senatsgebäude. Die Wächter und Sklaven ließen sie alle passieren, weil sie mit ihren Kleidern zur Oberschicht gehörten. Es war nicht schwer, den Platz von Brutus zu finden. Ein großer Stuhl erhob sich in der Mitte des Raumes, dies musste Caesars Platz sein. Rechts daneben saß der engste Berater von ihm, in dem Fall Brutus. Unter einem Bündel Stoff lag ein sehr spitzer Dolch. Henry nahm ihn hoch, musterte den Dolch und steckte ihn ein. Jake holte die Tafel hervor, stellte die Rädchen ein und sie reisten zurück in die Gegenwart.
Als sie die Augen wieder öffneten, trugen sie immer noch ihre Toga mit ihrer Tunika. „ Das Ding spinnt! Sollten wir uns nicht eigentlich am 15. März 2019 befinden? Wir haben aber immer noch diese römischen Kleider an.“, meint Henry. „ Du hast Recht! Aber hier oben steht das wir uns am 15. März im Jahre 2019 n. Chr. befinden.“, sagte Jake. Plötzlich kamen 6 Männer daher, die wie römische Soldaten aussahen. „ Entschuldigung“, rief Jake. „Welches Jahr haben wir.“ Abrupt blieben die Männer stehen. „ Habt ihr mich gerade gefragt welches Jahr wir haben?“, fragte der eine Wachmann. „ Ja, genau das habe ich gerade gesagt.“, erwiderte Jack. „ Wir befinden uns im Jahre 2073 n. Caesar“, sagte er. Die Wachmänner drehten sich um und riefen zum Abschied noch: „ Für Aquilius, der Kaiser des Römischen Reiches!“ Danach gingen sie. Jake drehte sich zu Henry um und starrte ihn wütend an. „Du hast gesagt, dass wir einen unschuldigen Mann retten würden.“, zischte er. „ So haben wir die ganze Geschichte durcheinander gebracht!“, machte er weiter. „ Außerdem müssen wir uns auch noch selbst aufhalten!“ Henry war so verdattert und bekam deshalb erst wieder etwas mit, als sie wieder auf der Straße in Rom landeten. Sie sahen sich um und entdeckten sich, wie sie das Forum überquerten. Jake und Henry rannten sich selbst hinterher und schrien: „ Bleibt auf der Stelle stehen!“ Der alte Henry drehte sich verwundert um. „Warum seht ihr so aus wie wir“, fragte er erstaunt. Weiter kam er nicht denn Jake hatte ihn mit einem Fußtritt ins Land der Träume versetzt. Der alte Jake der jetzt auch etwas gehört hatte, wurde von Henry verprügelt. Jake und Henry legten ihr altes Selbst in eine Seitengasse. Danach machten sie sich auf den Weg zu einem Hügel, der weit außerhalb von Rom lag. Sie gruben ein tiefes Loch, damit die Tafel für immer verschwindet. Sie kletterten in das Loch hinein. Jake stellte das Datum ein und drückte auf den großen Rubin. Der Lichtstrudel erschien erneut und Henry und Jake wurden hineingezogen. Die Tafel ließen sie aber in Rom.
10 Jahre später spielte auf jenem Hügel ein kleines Mädchen. Sie buddelte ein tiefes Loch und stieß auf etwas Hartes. Sie buddelte weiter und fand eine goldene Tafel…

Ein Weihnachten für Hannah (Thema 2, Platz 1) von Marie Mackowiak (5d)
Ich schlenderte jeden Tag zur Arbeit, wobei ich jeden Tag ein kleines Mädchen im Alter von etwa acht Jahren sah. Es hatte Lumpen an und ein kleines Püppchen dabei, welches einen Bauchladen hatte, in dem das Mädchen sich sein Geld erbettelte.
Man sah ja oft erwachsene Leute, die bettelten, aber hier in Deutschland? Da sah man selten Kinder auf der Straße betteln. Jeden Tag überlegte ich, ob ich dem Mädchen Geld geben sollte. Sollte ich? Unsereiner würde denken, natürlich, das arme Mädchen. Andererseits könnten das auch Männer sein, die ihre Frauen und Kinder auf die Straße schickten, damit diese betteln gingen. Während die Männer in der schäbigen Wohnung blieben und soffen. Abends wurde alles zusammengezählt und wer nicht genug mitgebracht hatte, bekam eine verpasst. Warum wollte man so etwas unterstützen?
Heilig Abend kam immer näher. Damit wurde es auch jeden Tag kälter. Doch das Mädchen trug immer noch Lumpen. Da hielt ich es nicht mehr aus. Ich kaufte dem armen Mädchen eine Wurst im Wecken und spendierte ihr einen Kinderpunsch. Sie sah mich dankbar an. Etwas zu essen für das Mädchen unterstützte ja nicht den Missbrauch mancher Bettler.
Heilig Abend stand vor der Tür. Endlich fiel mir ein, wie ich dem Mädchen ein richtig schönes Weihnachtsgeschenk machen konnte.
Organisierte die Caritas nicht immer so einen Heiligen Abend für einsame, obdachlose oder arme Menschen? Ich rief bei der Caritas an: „Guten Tag“, wünschte ich der Frau, die am anderen Ende der Leitung saß. „ Guten Tag, der Herr, ich bin Frau Schmidt von der Caritas“, begrüßte mich Frau Schmidt. „ Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie mich. „Ähem“, ich räusperte mich, „ Sie organisieren doch immer so einen Heiligen Abend für einsame und arme Menschen, nicht wahr?“.
„Zuerst,“ fing Frau Schmidt an, „würde ich gerne wissen, wie Sie heißen.“. „ Oh ja, entschuldigen Sie mich, mein Name ist Bernd Fischer und ich sehe jeden Tag auf der Straße ein Mädchen, welches mir immer sehr leidtut. Es hat trotz des kalten Winters Lumpen an. Wie dem auch sei, ich würde dem Mädchen gerne einen Heiligen Abend hier bei Ihnen spendieren“, machte ich Frau Schmidt klar. „ Tut mir leid, aber dieses Jahr machen wir hier kein solchen Abend, denn es haben sich zu wenig Freiwillige gemeldet. „ Aber“, stotterte ich, „ die einsamen und armen Menschen! Die können Sie doch nicht auf der Straße oder in der einsamen Wohnung Weihnachten feiern lassen!“, rief ich ins Telefon. „ Tja“, fing Frau Schmidt an. „ Können Sie etwas Besseres vorschlagen?“. „ Naja, ehrlich gesagt nicht“, gab ich zu. Ich fand es relativ frustrierend, was sollte ich jetzt machen? Sollte ich das Mädchen weiter auf der Straße hocken lassen? Nein, das konnte ich nicht tun. Ich dachte mir einen Plan B aus.
Bevor ich ins Bett ging, musste ich unbedingt meine Frau Anja etwas fragen. „ Anja, fing ich an, „ was hältst du davon, wann wir Heilig Abend mit Obdachlosen und Leuten aus ganz Freiburg feiern würden?“
„Spinnst du!“, fuhr Anja mich an. „ Heilig Abend feiert man zuhause in der Wohnung!“ Sie hielt wohl nichts von meiner Idee. „Aber“, fragte ich Anja, „Wenn wir draußen feiern würden, mit Catering und Tannenbaum?“ Ja doch, das schien sie etwas zu überzeugen. Schließlich stimmte sie zu. Am nächsten Tag wollte ich testen, ob das Mädchen Deutsch sprechen konnte. Ich fragte es: „ Kannst Du Deutsch sprechen?“, da antwortete sie mir: „ Ich kann Deutsch sprechen“.
Bingo! Ich hatte mir ein Gespräch mit ihr gesichert, und fragte sie gleich, ob sie Eltern hatte. Dann unterhielt ich mich mit ihr und erfuhr, dass sie Hannah hieß. Ich glaubte dass es sie sehr entlastete, mal mit jemanden reden zu können. Sie erzählte mir auch, dass ihr Vater sie betteln schickte, da dieser arbeitslos war, weil er immer Alkohol trank. Die Mutter musste sich um den Haushalt kümmern. Und der Vater prügelte alle beteiligten in der Familie. Na eben, genau das gleiche hatte ich eben auch gedacht! Hannah war sehr begeistert, als ich ihr von meinem Plan von Heilig Abend erzählte.
Es war Nachmittag .Wir hatten alles vorbereitet, der Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz stand, es waren viele Leute gekommen. Ich sah hunderte Obdachlose, da wurde mir ganz komisch. So viele Obdachlose gab es in Freiburg! Es war schockierend.
Ich sah gerade wie der Party-Service von McDonalds gerade auf den Marktplatz fuhr, während alle Leute, die da waren, ihre Isomatten und Schlafsäcke ausrollten. Bis plötzlich ein Polizei- Streifenwagen vor den Leuten anhielt. Die Polizisten redeten mit den Leuten und die Leute zeigten auf mich. Wahrscheinlich vermasselte die Polizei mir alles. Es war doch Heilig Abend, ein Fest der Fröhlichkeit! Na gut, die Polizei durfte bei solchen Situationen keine Gnade haben. Und ja, der Streifenwagen hielt vor mir, ein Polizist stieg aus. „ Was machen Sie hier, Sie haben die Feier nicht im Rathaus angemeldet.“ , machte mir der Polizist klar. Ach du Schreck, ich hatte ja von dem ganzen Trubel völlig vergessen die Feier anzumelden! Ich stotterte: „ Äh, ich, ich, ich habe es vergessen. Tut mir Leid, ich wollte den einsamen und armen Menschen doch nur ein schönes Weihnachtsfest organisieren. Ich habe dazu die Bevölkerung eingeladen und hier wollen wir Heilig Abend feiern und auf dem Marktplatz schlafen, damit die armen Menschen merken, dass sie auch etwas wert sind.“, der Polizist wurde verlegen und antwortete: Tja, ich finde die ganze Sache ja sehr gut, doch ich darf keine Gnade haben.“ . Hannah kam in ihrem roten, Paillettenbesetzten Kleid, welches ich ihr für das Fest geschenkt hatte, herbeigeeilt. Sie strahlte wie ein Honigkuchenpferd und ich glaubte, sie freute sich sehr über ihr neues Kleid, vielleicht hatte sie noch nie so etwas schönes getragen. Als sie den Polizist sah, wurde ihr Gesicht ganz finster, wahrscheinlich hatte sie verstanden, was hier vor sich ging. Sie stemmte die Hände in die Hüften und schrie den Polizisten wütend an; „ Was fällt ihnen ein! Ich sehe zwar wohlhabend aus, doch dieses Kleid hat mir der nette Mann der eben mit ihnen geredet hat, geschenkt. Ich stamme aus armen Verhältnissen...“. Plötzlich schwieg sie und dachte angestrengt nach. „ Nur ohne Gewalt Hannah, nein, ohne Gewalt.“ , ermahnte sie sich selbst. „ Also, ich habe mich sehr auf diese Feier gefreut und habe sonst noch nie Weihnachten gefeiert. Es wäre doch ein Skandal des Jahrhunderts, den Marktplatz zu räumen und alle beteiligten dieser Feier hier stehen zu lassen. Kann man diese Feier nicht nachträglich noch anmelden? Das wäre doch ein Deal. „ Es gibt bei der Polizei KEINE Deals“, sagte der Polizist langsam wirklich genervt. „Aber,“, betonte der Polizist, „Ich kann es nachmelden. Das Rathaus hat noch bis 18 Uhr offen. Wäre das für sie okay?“ Ich antwortete: „ Das wäre mir nur recht.“ „Aber ich kann ihnen nicht sagen, wie lange es dauern wird.“ Der Polizist stieg wieder zu seinen Polizisten in den Streifenwagen und brauste Richtung Rathaus los.
Eine gute halbe Stunde später hielt der Wagen wieder am Marktplatz. „ Sie haben Glück gehabt, sie dürfen hier feiern, der Bürgermeister war selbst ganz begeistert von der ganzen Aktion.“, erzählte mir der Polizist. Hannah sprang vor Freude in die Luft. Die Besucher ließen sich das köstliche Menü schmecken. Ich hatte kein anderes Restaurant gefunden, sie waren alle frühzeitig ausgebucht. Dann genoss man heute an Weihnachten eben long-fast-food, also fast-food, welches man aber trotzdem genoss. Doch das Highlight der Feier war aber wirklich das Schlafen im Freien. Es waren wirklich eine Gruppe von Polizisten gekommen, damit auch keine Verbrecher irgend welche Aufruhr machten. Die Leute, die nicht arm, obdachlos oder einsam waren, brachten ihre eigenen Geschenke mit, doch netterweise bekam ich für die armen, obdachlosen und einsamen Menschen von der Firma Sponsor Weihnachtsgeschenke. Es wurde eine Riesenbescherung. Hannah freute sich über ein Spiel, welches Mikado hieß. Sie hatte es bekommen. Sogar Hannahs Familie war gekommen, der Vater wurde wegen des Prügelns und des Alkohols unter Gewahrsam genommen und die Familie bekam Hilfe von einem sozialen Hilfsverein.
Ich dachte mir: Das war doch ein schöner Abend, als ich später in meinem Schlafsack neben meiner Frau lag. Es war bitterkalt, doch ich tat es eben mit vielen anderen für die Armen. Dann schlief ich unter dem gigantischen Tannenbaum ein.

Siegertexte Mittelstufe

Fliegen (Thema 5, Platz 2) von Marie Berchtold (10d)
Der Ball fliegt.
Hoch
Verschwindet in den Wolken, zwischen silbernen Sternen.
Im dunklen Blau
sieht er aus
gelb und rund
wie eine Sonne.
Eine schöne Sonne,
findet sie.
Sie liebt ihn.
Den Jongleur,
der den Ball zum Fliegen brachte.
Den Mann
mit glänzend schwarzen Haaren
Pechschwarz
mit dem blütenweißen Hemd
wie Schnee
und den schwarzen Lackschuhen
Rabenschwarz
Sie liebt ihn.
Voll Vertrauen
Blind
Warum?
Sie weiß es nicht.
Liebe kennt kein Warum.
Sie braucht ihn.
Seine Nähe
Seinen Schutz
Seine Sicherheit
Seinen Halt
Denkt sie.
Er lächelt sie an.
Nimmt ihre Hand
Herzbebenhüpfentanzen
Sie liebt ihn noch ein bisschen mehr.
Ein Augenblick
Vollkommenheit
Die Sonne lacht, leuchtet.
Der Ball fliegt.
Hoch
Verschwindet in den Wolken, zwischen silbernen Sternen.
Im dunklen Blau
sieht er aus
gelb und rund
wie eine Sonne.
Eine schöne Sonne,
findet sie.
Er liebt sie nicht.
Nur Herzens-
kälte
Warum?
Er kennt keine Liebe.
Er braucht sie nicht.
Denkt er.
Die Sonne fällt.
Tief
Verschwindet in den Sträuchern, zwischen dichten Dornen.
Im düsteren Grün der Blätter
ist sie nicht mehr zu sehen.
Es stört ihn nicht.
Den Jongleur,
der den Ball zum Fliegen brachte.
Er nimmt den nächsten
gelb und rund
ein Spielball
ein Spiel

„7 oder warum es manchmal doch eine Konjunktion zwischen Subjekt und Prädikat braucht“ (Thema 3, Platz 1) von Pia Klingert (8b)
Sieben waren es an der Zahl. Zu einer Zeit irgendwann zwischen Anfang und Ende, als die Schatten allmählich dunkler worden und jeder sich fröstelnd ins sichere Warme zurückzog, waren sie zusammengekommen. Einer nach dem anderen hatten sie sich aus dem Dunkel der Gedanken gelöst und waren auf dem vom hellen Mondlicht erleuchteten Platz auf einander getroffen, der in der umliegenden Finsternis so weiß wirkte wie eine unbeschriebene Seite. „Guten Tag ehrenwerte Kameraden und Kameradeninnen“ sagte die Adverbiale Bestimmung der Zeit. „Beeilen wir uns. Wie ihr wisst, ist meine Zeit knapp bemessen, meine Selbsthilfe-Wortart erwartet mich in ein paar Kommas. Ein wichtiges Treffen steht an. Es dreht sich um Minderwertigkeitskomplexe von nicht unbedingt notwendigen Satzgliedern.“ „Wissen wir, wissen wir. Unwichtig.“ Die Stimme des Adjektivs war kaum mehr ein heiseres Flüstern. Es sagte selten etwas, weshalb wenige wussten wie es wirklich war. „Wenn ihr Idioten es auch mal ohne Navi zu unserem Treffpunkt schaffen würdet, wären wir auch schneller durch!“ grunzte die Adverbiale Bestimmung des Ortes überheblich. Schon vor langer Zeit hatte sie begonnen sich zu fragen, warum sie sich überhaupt mit solchen unwichtigen Satzgliedern und Wortarten abgab. ,Weil es nicht viel wichtigere gibt‘ hatte ihre innere Stimme damals gesagt, und weil der Adverbialen Bestimmung des Ortes auch nichts besseres einfiel, war es dabei geblieben. „Ich für meinen Teil halte Navis für einen sehr viel effektiveres Mittel, um den Weg zu finden, als diese nervigen Wegbeschreibungen mit deinesgleichen“ blaffte die Adverbiale Bestimmung der Zeit gereizt und die Adverbiale Bestimmung des Ortes rümpfte beleidigt die Nase. ,Niedere Satzglieder. Sowas von arrogant.‘ war noch das netteste, was sie dachte. „JETZT HALTET DOCH ALLE MAL DIE SCHNAUZE!!!“ brüllte das Prädikat, und tatsächlich beruhigten sich die übrigen Satzglieder und Wortarten. So selbstverliebt die meisten von ihnen auch waren, wussten sie doch alle, wie sinnlos ihre Sätze ohne das Prädikat klängen. Wer nicht in Kürze obdachlos werden wollte, brachte dem Prädikat einen gebührenden Respekt entgegen.
„Verrätst du uns jetzt endlich die Ursache für dieses Treffen?“ fragte die Adverbiale Bestimmung des Grundes, denn sie hasste es wie sonst nichts, unwissend über die Gründe von etwas zu sein. Das Prädikat hatte aber beschlossen, nur diejenigen Satzglieder und Wortarten einzuweihen, die auch tatsächlich seiner Einladung zur Krisensitzung folgen würden. Es hatte sich nämlich vor nicht allzu langer Zeit mit dem Subjekt gestritten, wer von den beiden wichtiger war, und wollte deshalb unter keinen Umständen, dass dieses von dem neuesten Projekt des Prädikats Wind bekam. Das Subjekt sollte sich zuerst entschuldigen. Es war doch vollkommen klar, dass das Prädikat wichtiger war.
Leider hatte sich kurz nach dem Streit eine wichtige Deutschklausur angekündigt und da das Prädikat weder seine Würde verlieren, noch die Schüler hängen lassen wollte, hatte es beschlossen, die Aufsätze schlichtweg ohne das Subjekt zu bewältigen. Basta. So einfach war das.
Bei Ausrufung der Krisensitzung war dem Prädikat aber nicht in den Sinn gekommen, dass außer ihm nur sechs Kameraden auftauchen könnten, noch dazu einer davon das Adjektiv, welches allgemein eher untalentiert veranlagt und nicht gerade für seine hohe Intelligenz bekannt war. Bestimmt hatte das Subjekt doch bemerkt, dass da etwas im Busch war, und die übrigen Kameraden bestochen. Aber was muss, das muss, und das Prädikat war fest entschlossen, nicht aufzugeben.
„Liebe Kameraden! Ich will euch jetzt endlich einweihen: Es steht mal wieder eine Deutschklausur an. Wie ihr natürlich wisst, ist es unserer aller Pflicht, den Schülern auch diesmal einen richtigen Satzbau zu ermöglichen.“ Von allen Seiten kam ein pflichtbewusstes Nicken, nur das Adjektiv verdrehte leicht die Augen, hielt aber die Seite. Das Prädikat fuhr von den Reaktionen bestärkt fort: „Leider muss ich euch aber sagen, dass wir heroischen Satzglieder und Wortarten die einzigen sind, die dazu bereit sind! Ich weiß, es ist furchtbar!“
Nach dieser eher niederschmetternden Lagezusammenfassung machte sich ungläubige Betroffenheit unter allen Anwesenden breit.
„Was? Nur wir?“ flüsterte das Genitivobjekt, dessen Anwesenheit sich bisher niemand bewusst gewesen war. „Wie sollen wir das schaffen? Ganz ohne Subjekt?“ fragte die Adverbiale Bestimmung der Art und Weise ängstlich. Diese Anspielung auf die Wichtigkeit seines Rivalen ignorierte das Prädikat gekonnt. Es versuchte zuversichtlich und stark zu wirken, was ihm sofort leichter fiel, als es bemerkte wie fröhlich die Adverbiale Bestimmung des Grundes wirkte. Dann wurde dem Prädikat allerdings klar, dass diese nur so heiter und ausgelassen war, weil es endlich die Ursache für das Treffen kannte. Die Mienen der anderen sahen ganz anders aus. Die Adverbiale Bestimmung der Zeit suchte auffällig unauffällig nach dem richtigen Moment, um sich aus dem Staub zu machen, das Adjektiv lutschte bedröppelt ein Hustenbonbon gegen seine heisere Stimme, die Adverbiale Bestimmung des Ortes hatte sich so erschrocken, dass sie rasch ein stilleres Örtchen aufsuchen gemusst hatte. Das Genitivobjekt fragte sich, wessen Schuld das ganze Schlamassel war, und die Adverbiale Bestimmung der Art und Weise versuchte genervt auf verschiedene Art und Weise, der noch immer fröhlich herumtanzenden Adverbialen Bestimmung des Grundes auszuweichen.
„Es wird nicht leicht, das ist mir bewusst,“ startete das Prädikat nun etwas weniger zuversichtlich erneut, „aber wir können das schaffen!“ „Zu wenig Zeit!“ „Woher willst du die Worte nehmen?“ „Womit willst du das Subjekt ers-“ Die anderen protestierten sofort deprimiert. „Aber wie?“ fragte das Adjektiv und verschluckte sich an seinem Hustenbonbon.
Nachdem das Genitivobjekt erste Hilfe geleistet hatte, teilten sich die übrigen in Gruppen ein, um das Problem zu besprechen.
Die Adverbiale Bestimmung der Zeit hatte es schon vor etlichen Kommas aufgegeben, rechtzeitig zur Selbsthilfe-Wortart zu erscheinen. Doch auch als bereits mehrere Punkte vergangen waren und der Beginn eines neuen Kapitels deutlich nähergekommen war, gab es noch keine Lösung.
Ihnen allen wurde immer mehr bewusst, dass es so gut wie unmöglich war, in ihrer derzeitigen Verfassung auch nur einen Aufsatz zu verfassen. Schließlich wusste das Prädikat sich auch nicht mehr anders zu helfen. Egal wie tief unter seiner Würde es auch war: Es musste sich beim Subjekt entschuldigen.
Also ließ das Prädikat grummelnd seinen eigenen, derzeit unvollständigen Satz über eine Konjunktion mit dem derzeit unvollständigen Satz des Subjekts verbinden. Zu seinem Erstaunen wurde es von diesem mit einem Wortschwall begrüßt, dass es ihm leidtäte und es hätte sich ja schon viel früher gemeldet, hätte es eine Konjunktion gefunden.
Wieder vereint und ohne, dass das Prädikat seine Würde als verletzt betrachten musste, schafften es alle zusammen, in Windeseile die Klausur zu bewältigen. Alle waren sie glücklich: die Adverbiale Bestimmung der Zeit kam rechtzeitig zur zweiten Hälfte der Wortarten-Selbsthilfe, das Adjektiv war endlich nicht mehr heiser und verteilte Hustenbonbons an alle. Die Adverbiale Bestimmung des Ortes konnte endlich sein Navi-Verbot durchsetzen. Die Adverbiale Bestimmung des Grundes hatte endlich einen richtigen Grund, glücklich zu sein. Das Genitivobjekt musste nicht mehr wissen, wessen Schuld das alles war, und die Adverbiale Bestimmung der Art und Weise konnte statt auszuweichen mit der Adverbialen Bestimmung des Grundes herumhüpfen. Prädikat und Subjekt konnten jetzt endlich wieder richtige Sätze bilden. Manchmal reichen sieben einfach nicht.
Und so verschmolzen sie wieder mit der Dunkelheit und zogen sich von dem vom hellen Mondlicht erleuchteten Platz zurück in die Finsternis, als wäre nichts passiert.
Ein neues Kapitel konnte beginnen.

Siegertexte Oberstufe

Das Lied des Lebens (Thema 4, Platz 3) von Carina Markert (11)
Jedes Lied hat eine andere Melodie.
Jedes Lied hat einen anderen Text.
Jedes Lied hat eine eigene Bedeutung.
Jedes Lied ist universell.
Jedes Lied ist einer Metapher für das Leben.
Jedes Leben hat eine andere Melodie, einen anderen Text und eine andere Bedeutung.
Nicht in jedem Lied des Lebens ist die Melodie durchgehend euphorisch.
Nicht in jedem Lied des Lebens steht der selbe Text.
Und nicht jedes Lied des Lebens hat die selbe Bedeutung.
Unsere Welt ist wie ein Gesangbuch.
Auf jeder Seite befindet sich ein anderes Lied mit einer anderen Melodie, einem anderen Text und einer anderen Bedeutung. Manche Lieder werden oft gesungen, andere jedoch nur selten. Und doch sind sie alle in diesem Gesangbuch. Alle in diesem einen Buch, so unterschiedlich wie sie auch sind, sie sind alle ein Teil des Gesangbuches.
Blättert man nun durch dieses Gesangbuch, muss man innerhalb einiger Millisekunden die Entscheidung treffen, ob man dieses Lied singen möchte oder nicht. Man sieht nur den Titel, man hat innerhalb dieser kurzen Zeit nicht die Möglichkeit, die Melodie zu entdecken, den Text zu lesen, oder über die Bedeutung dieses Liedes nachzudenken. Wir sehen nur den Titel, das äußere Erscheinungsbild des Liedes, nicht aber das Innere. Das Äußere lässt uns entscheiden, ob wir dieses Lied singen wollen oder nicht. Wenn uns der Titel nicht anspricht, wollen wir es nicht singen. Wir treffen hierbei viel zu schnell eine Entscheidung. Eine Entscheidung, die dazu führt, dass wir uns keine Gedanken über etwas machen, die wichtige Botschaft dieses Liedes uns nicht erreicht und wir oftmals Dinge in ein schlechtes Licht rücken, ohne uns damit auseinandergesetzt zu haben.
Wir sehen Menschen in der Innenstadt, von welchen wir nur ihr Äußeres ein paar Sekunden gesehen haben und uns nun schon ein Bild von ihnen machen. Doch was wissen wir überhaupt über diese Menschen? Wir kennen nur den Titel ihres Lebensliedes, nicht aber ihre Melodie, ihren Text, oder ihre Bedeutung. Wir wissen nicht, was zwischen den Zeilen ihres Liedes geschrieben steht, sodass sie diesen Titel haben. Wir machen uns ein Bild von etwas, mit dem wir uns nicht auseinandergesetzt haben, von dem wir nichts wissen und urteilen sofort. Doch würden wir das Lied ihres Lebens kennen, würden wir mit Sicherheit anders über diese Person urteilen. Wir hätten die Möglichkeit, ihr Lied zu verstehen, es zu singen oder ein neues Urteil zu fällen.

Ok Boomer (Thema 2, Platz 2) von Feline Weger (12)
Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit.
Es ist 13:47 Uhr, die Mittagspause ist fast vorbei, also trotte ich aus der Stadt zurück zur Schule. Heute hab ich mir „richtig gegönnt“ : eine Tafel Lindt-Schokolade, die ich gleich illegalerweise im Chemieunterricht unterm Tisch essen werde. Diese Schokolade sollte noch heute mein Untergang sein. Eigentlich achte ich nicht darauf, aber heute will es das Schicksal so: Der Fitness-Lifestyle -Blogger in mir erwacht und ich versuche im Laufen Zuckergehalt und Kalorien dem Etikett der Schokolade zu entnehmen und einzuordnen. Ich habe zwar keine Ahnung, aber nach dieser Schokolade werde ich wohl 622 kcal fetter sein. Während ich weiter die Ernährungs-Hieroglyphen entschlüssele, laufe ich über den Bahnübergang, als ich im Augenwinkel eine entgegenkommende Person bemerke. Die Gestalt macht sich ungewöhnlich breit für diesen kleinen Gehweg. Instinktiv gehe ich etwas nach rechts, um dem ca. 1,70m kleinen Schrank das Passieren zu ermöglichen. Keine Reaktion, kein Erbarmen. Das IKEA Kallax Regal meint es ernst und steuert gerade auf mich zu mit dem Speed einer Mutter im Winterschlussverkauf. Weiter kann ich nicht ausweichen und es kommt zur Kollision. Als sich mein Blick von der Schokolade hebt, entpuppt sich Thomas die Lokomotive als alter, wütender Mann.
„Oh `tschuldigen Sie …“ Sage ich und hebe dabei schuldig die Hände in die Luft, wissend, dass der Zusammenprall definitiv nicht meine Schuld war. „Die heutige Jugend ! Schauen alle nur auf ihre Handys !“ , murrt der grimmige Alte und schaut mich missbilligend an. „Öhm, das ist Schokolade, aber gut?“ , sage ich verwirrt und fuchtel damit vor seinem Gesicht herum.
Kein Fünkchen Einsicht in seinen Augen. Entweder braucht er eine neue Brille oder es ist ihm wirklich egal, dass sich Schokolade eher weniger optimal zum Telefonieren eignet. „Früher war Alles besser! Da haben die Kinder noch auf die Menschen um sich geachtet!" , entgegnet mir der Senior scharf. Langsam werde ich etwas wütend: „Also entschuldigen Sie mal ! Ich hab ihnen extra Platz gemacht. Und sie sind trotzdem koordiniert in mich rein gerannt und das ohne Handy ?! Das hab ich trotz Schokolade genau gesehen !". „ Pfffff, die Jugend von Heute !“, ruft er empört, „ allesamt verdorben und keine Manieren mehr !“. Entgeistert gucke ich ihn an „Keine Manieren? Ich hab dich sogar gesiezt ! Also Sie ! Ich habe Sie gesiezt ! Und ich hab ihnen Platz gemacht! Also, was wollen Sie?“. Die Leute um uns machen entweder einen großen Bogen oder bleiben kurz stehen, in der Hoffnung, Zeuge eines epischen generationsübergreifenden Street-Fights zu werden. Eine Oma fährt gelassen auf ihrem Rolator zwischen uns durch. „Ihre Mitfahrgelegenheit zum Altersheim?“ frage ich. „Die findet das Altersheim wenigstens noch ohne Navi, weil sie aus einer Zeit kommt, in der Influenza noch eine Krankheit und kein Beruf war!“ 1:0 für den Knacker. „OK Boomer?...“, entgegne ich ihm hilflos.
„SOLLTEST DU NICHT ZURÜCK IN DIE SCHULE, LERNEN, DICH ZU BENEHMEN?“,schreit der Opa.
„SOLLTEN SIE NICHT ZURÜCK AN DIE FRONT?“, 2:1 für mich!
„GEHEN SIE JETZT SOFORT VON DEN GLEISEN, DIE SCHRANKEN SIND SCHON UNTEN !“ 10:0 für den Schaffner.
Das Urgestein und Ich hasten auf die sichere Seite. „Kacke ! Ist das der 14 Uhr Zug?“ hechel ich. Er versteckt seine Armbanduhr unter seiner Jacke und schaut mich gehässig an: „Schau doch auf dein Handy !“. Jetzt reicht's mir endgültig. „RRRRIIIING“ ,rufe ich. Verdutzt schaut mich der Senior an . „RRRRIIIIIIING“, rufe ich wieder und greife in meine Hosentasche. „ Entschuldigen Sie mich kurz, da muss ich ran gehen... ! “ Ich hole die Tafel Schokolade heraus und halte sie mir ans Ohr: „ Jaa ?...Tut mir leid, ich bin etwas spät dran. Ich wurde von einem verwirrten Senior aufgehalten... Nein, alles in Ordnung bei ihm. Glaube ich... Was schon 14 Uhr? Da muss ich jetzt aber dringend los in die Schule, Manieren lernen !... Dem alten Mann geben? Ok mach Ich“. Ich nehme die Schokolade vom Ohr und drücke sie dem Rentner in die Hand. „Ist für Sie“, sage ich lächelnd. „Ich bin Laktoseintolerant!“, motzt der Alte. „Wo sind ihre Manieren? Früher hat man alles gegessen, was auf den Teller kam!“ entgegne ich und renne los Richtung Schule.

Spiel mit den Gedanken (Thema 5, Platz 1) von Antonia Gimmer (11)
Nervös wischte er sich ein weiteres Mal seine schwitzigen Hände an dem Kostüm ab. Die Pailletten funkelten in dem spärlich beleuchteten Raum hinter der Manege. Ob das Zelt heute voll ist?
Ein tobender Applaus drang durch den schweren roten Vorhang an seine Ohren. Vielleicht so Zweihundert? Oder auch Dreihundert?
Ungeduldig fing er an auf den Fußballen vor-und zurück zu wippen.
„Gehe in dich“, hieß es bei den Kursen gegen Lampenfieber.
„Sehe dich auf der Bühne.“ sagte die hypermotivierte Kursleiterin immer und immer wieder in einer tiefen, beruhigend klingenden Stimme. Doch er ging stattdessen die Einkaufsliste durch. Toast, einige Orangen und Mandarinen, Tee und Streichhölzer. Ob ihn wohl heute noch Franziska besuchen würde?
„Die zehn Bälle gleich zu Beginn?“, wurde er schroff, gehetzt gefragt. Er mochte die Raserei der anderen Artisten noch nie. Aber wie sollte auch jemand, der täglich Saltos zwischen zwei schwingenden Stangen machte, in der Zeit dazwischen tiefenentspannt wirken?
„Wie immer.“, war seine Antwort. Langsam und bewusst ausgesprochen. Jedes Wort einzeln und sorgfältig artikuliert.
Der Schlussapplaus der Schlangennummer vor ihm. Eher Dreihundert. War das überhaupt von Bedeutung?
Ein aufforderndes Nicken erreichte ihn. Der Vorhang war geöffnet worden. Die beiden zierlichen Frauen hüpften rückwärts winkend über die magische Linie, die die Manege von dem dunklen Raum dahinter trennt. Die Überwindung sie zu überschreiten war groß, doch das Gefühl auf der anderen Seite unbeschreiblich.
Der Direktor baute eine kleine Anekdote ein. Wie in jeder Vorstellung. Mal die eine, als er in seinen Jungen Jahren noch in Amerika getourt war, mal eine andere. Den Besuchern gefiel das.
Tief einatmend bückte er sich und umgriff den kleinen schwarzen ledernen Koffer neben seinen Füßen. Keine Stradivari. Lediglich zehn weiße Bälle.
Der unscheinbare Moment, als ein kleiner Bub in kurzer karierter Hose an der Hand seiner Mutter durch die Stadt gelaufen war. Abrupt war er stehen geblieben und hatte wie hypnotisiert auf einen Jongleur gestarrt. Er hatte seinen Blick nicht von dem Mann im roten Jackett abwenden wollen, der umringt von einigen interessierten Passanten die bunten Bälle unaufhörlich in die Luft geworfen hatte. Mit riesiger Begeisterung hatte er seine Kinderhände zusammen geschlagen, als alle Bälle wieder behutsam in den Händen des Artisten gelandet waren.
Mit einem fast unsichtbaren Lächeln trat er in die Manege. Bis zur Mitte.
Die Menschen verstummten und beäugten ihn argwöhnisch. Keine Begrüßung? Keine Verbeugung? Keine Musik im Hintergrund? Wie ungewöhnlich.
Der Artist ging in die Hocke und öffnete in seliger Ruhe seinen mitgebrachten Koffer. Er war innen mit weicher warmer Schafwolle ausgepolstert.
Bälle? Waren da nur weiße runde total langweilige Bälle drin?
Ein richtiger Jongleur brauchte Kegel, Ringe, riesengroße und auch ganz kleine Bälle, bunt mussten sie sein!
Unbeirrt der von Skepsis geprägten Blicke legte er sich vier mit seiner Rechten auf seine linke Handfläche. Wie eine kleine Pyramide stapelte er sie. Dann drehte er sich um, immer noch kniend. Was für eine Unverschämtheit dem Publikum den Rücken zuzuweisen!
Das helle Licht wurde gedimmt. Kurz sah man die Hand vor den Augen nicht, dann leuchtete ein einzelner weißer Scheinwerfer. Im gesamten Zelt herrschte eine Totenstille. Jetzt musste einfach etwas Spannendes passieren!
Jedoch wanderte die Hand mit den drei Bällen lediglich an seinen Rücken. Gemächlich begannen sich die Bälle zu bewegen. In einem kleinen Kreis an seinem Rücken.
Wie Tropfen, die von einem schmelzenden Eistropen fielen, klangen die kaum hörbaren Klänge einer Triangel im Hintergrund.
War das alles? Wird das jetzt fünf Minuten lang so weitergehen? Väter gähnten, Kinder wanden sich mit einem traurigen Blick an ihre Mütter, die teilweise leise zu tuscheln anfingen.
Ein warmer, tiefer Klarinettenton kam hinzu. Der Jongleur drehte sich um und richtete sich auf, die Bälle weiterhin an seinem Rücken kreisend. Das Gemurmel aus dem Publikum verstummte wieder. Vielleicht ja jetzt?
Er beugte sich nach vorne und gezielt rollte ein einzelner Ball in seinen Nacken und mit einer geschickten Bewegung über den Arm zurück in seine linke Handfläche auf die vorherigen drei. Ein gedämpfter, gezwungen klingender Applaus folgte, den er nicht weiter beachtete.
War dieses frevelhafte Verhalten absichtlich?
Nun flogen die vier runden Kugeln hoch in das Zirkuszelt. Weit oben verschwanden sie in der Dunkelheit, bis sie ein Stück über seinem Kopf wieder vom Scheinwerfer angestrahlt wurden, wie viele kleine Monde von der Sonne angestrahlt wurden. Ein wenig verwandelte sich der dunkle Raum in ein Planetarium.
Lächelnd stand der Direktor im Hintergrund. Das Auftreten und die Ausstrahlung waren schlicht faszinierend. Diese Atmosphäre konnte nur er entstehen lassen.
Allmählich kamen immer mehr der weißen Bälle hinzu. Immer mehr kleine Monde kreisten in der Luft. Vor ihm, hinter ihm. Seine Gelassenheit ließ die Bälle in der Luft schweben. Alle Bewegungen schienen in Zeitlupe abzulaufen.
Münder standen offen, Augen waren geweitet. Das Gefühl von Raum und Zeit verschwand allmählich. Die Gedanken waren leer. Weder die nächste Einkaufsliste, noch die eine unangenehmen Aufgabe, die der Chef hektisch fünf Minuten vor dem Feierabend vergeben hatte, vernebelten den Kopf. Der Fokus lag auf dieser einen Person in der Mitte der Manege, die es so mühelos schaffte den hektischen mit Multitasking überfüllten Alltag in den Hintergrund zu rücken.
Nach einer unbestimmbaren Zeit waren alle zehn kleinen Monde wieder in den zwei Händen dieses Jongleures gestapelt. Kein Beifall füllte den Raum.
Erst nachdem das Licht wieder jede Ecke des Zirkuszelts ausleuchtete und sich der Artist ein weiteres Mal mit dem rabenschwarzen Koffer in der Hand verbeugte, stellte sich zögerlich ein nicht mehr enden wollende Applaus ein, der von jedem einzelnen Zuschauer ausging.
Schwer atmend, aber mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen wohlwissend, dass er der Star des Abends war, schritt er durch den roten Vorhang zurück hinter die Manege. Ein kurzes Schulterklopfen vom Direktor bevor sich der Vorhang endgültig schloss.

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