Besuch von Hartwig Kluge- DDR-Zeitzeuge in den 9. Klassen

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Am 20. April 2023 wurden die 9. Klassen des Scheffels-Gymnasiums vom DDR-Zeitzeugen Hartwig Kluge besucht.

Danke an unsere Geschichtslehrerinnen Frau Balcet, Frau Flier und Frau Kranich dafür, dass sie diese Veranstaltung ermöglicht haben. Ein Dankeschön geht auch an den Freundeskreis der Scheffel-Gymnasiums, der den Vortrag finanziert hat.
Herr Kluge fragte direkt am Anfang die Schüler: „Wie stellt ihr euch euer Leben mit 20 Jahren vor?“ Wollen wir studieren, ins Ausland reisen, nichts machen, ein FSJ, …? – Auch er wollte studieren, doch es verlief ganz anders. Am 13. August 1961 begann der Bau der Berliner Mauer, der die Stadt für mehr als 28 Jahre lang geteilt hat, Familien und Freunde getrennt, Menschen wurden bei Fluchtversuchen über die Mauer erschossen. Damals war Hartwig Kluge ungefähr in dem Alter der Neuntklässler, denen er davon berichtet, so erzählt er.
„Die Falle ist zu“ so erzählte er, was seine Mutter noch genauso zu ihm gesagt haben sollte. Als er studieren wollte, Sport und Deutsch auf Lehramt, wurde er selbst nicht wissend warum, abgelehnt. Den Grund erfuhr er erst sehr viele Jahre später – und zwar in seiner Stasi-Akte! Sein Vater arbeitete als selbstständiger Tierarzt, in der DDR ein Arbeitsverhältnis, das kritisch gesehen wurde. Herr Kluge selbst war kein SED-Mitglied und immer wieder hatte er sich – meist beiläufig – kritisch dem System gegenüber geäußert. Das sorgte dafür aus, dass er trotz guter schulischer Leistung abgelehnt wurde.
Eine Flucht in die BRD erschien ihm der einzige Weg, um seine Ziele zu erreichen und ein Leben in Freiheit führen zu können. Aufgrund der damaligen Umstände konnte er seiner Familie und seinen Freunden nicht von den Fluchtplänen erzählen, da Republikflucht als "Staatsverbrechen" galt. Schließlich ging er mit den WORTEN „Ich unternehme eine kleine Fahrradtour“. Doch damals hatte er noch keine Ahnung, was noch alles geschehen wird …
Als Fluchtweg wählte er die Route über ein Drittland: Der Plan war, mithilfe von Fluchthelfern in Pécs (Ungarn) über Jugoslawien in den Westen zu kommen.
Dabei wurde der damals 21-jährige Kluge an der ungarischen-tschechischen Grenze von einem ungarischen Soldaten mit vorgehaltener Waffe aufgehalten und festgenommen und kam wegen „ungesetzlichen Grenzübertritts“ in Budapest in Untersuchungshaft. Obwohl man einen Tag nach seiner Fassung schon erfuhr, was Hartwig Kluge „begangen“ hatte, erfuhr seine Familie erst Wochen später von seiner Festnahme. Seine Eltern dachten, ihr Sohn wäre gestorben.
Nach vier Wochen der Inhaftierung unter erniedrigenden Umständen wurde Kluge nach Ost-Berlin ausgeflogen. Wie ein Verbrecher wurde der junge Mann in Handschellen unter aller Augen über das Rollfeld abgeführt. So wurde er im Februar 1969 in der Justizvollzugsanstalt „Roter Ochse“ inhaftiert. In Isolationshaft hatte er niemanden, mit dem er sprechen konnte und in seinen Tätigkeiten, die er in Haft verrichten durfte, wurde er außerdem eingeschränkt, einfach nur warten. Durch die in der Wand eingesetzten Glasbausteine konnte man nur sehen, ob es hell oder dunkel war – mehr nicht. Man hatte keinen Namen mehr, nur eine Nummer. Kluge war fortan die Nummer 542, Zelle 54, Pritsche 2. Eine quälende und emotional sehr belastende Zeit begann – von der auch nicht klar war, wann sie enden würde.
Erst im Juni fiel das Urteil: 18 Monate Haft wegen Republikflucht. Ein Leben in einer Zelle begann. Der Strafvollzug sollte in Cottbus erfolgen, einem Gefängnis, in dem 700 politische Häftlinge einsaßen. Je 16 Männer mussten sich eine enge Zelle mit Stockbetten teilen. Doch Hartwig Kluge kämpfte sich durch und blieb seinen Werten bis zum Schluss treu – insgesamt hatte er 22 Verhöre, das längste 20 Stunden, indem er es ablehnte, entlassen zu werden und im Gegenzug als Stasi-Spitzel zu arbeiten, wovon er voller Stolz und Zufriedenheit berichtete. Herr Kluge erzählte den 9. Klässlern von Erlebnissen wie das Lernen des Knast-Alphabets, das heimliche Schach spielen (mit Hilfe von Klopfzeichen an die Wand und einem Stück Toilettenpapier, das als Schachbrett diente) oder kurzen Besuchen seiner Familie.
Ende 1969 vor Ablauf der Haftstrafe wurde er dann von der Bundesrepublik für 40000 D-Mark freigekauft und von einem Stasi-Offizier mit den Worten "Strafgefangener Kluge, Sie sind nicht würdig, in der sozialistischen Gesellschaft zu leben, wir entziehen Ihnen die Staatsbürgerschaft" ausgebürgert.
Heute führt Hartwig Kluge ein glückliches Leben in Freiburg und hält viele anschauliche Vorträge über sein Leben in der DDR. Er lehrte den 9. Klassen die Wichtigkeit von Freiheit. Für junge Erwachsene und generell für viele Menschen in Deutschland selbstverständlich. Doch das war nicht immer so in Deutschland, man sollte die Vergangenheit nicht vergessen, sondern daraus lernen.
Von Hannah Leibl, 9c

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